Humble Pie

Es muss eine großartige Sache gewesen sein, wenn man als Rockfan in den späten 60ger Jahren in England leben durfte. London war voll am Swingen, und die britische Bluesrock-Szene explodierte. Die anspruchsvolleren der britischen Invasionsbands (in besonderem Maße die Stones und die Yardbirds) hatten die Szene ins Rollen gebracht, indem sie ein ausgeprägtes Blueselement in ihre jeweils eigene Popmusik integrierten. Bald danach übernahmen Cream, Free, Savoy Brown und die mächtigen Led Zeppelin das Ruder und hoben die Verschmelzung von traditionellem amerikanischem Blues und Gitarren-Hardrock auf ein ganz neues Niveau.

Genau wie die zuvor genannten Acts, waren auch Humble Pie an der vordersten Front dieser legendären Musikszene. Von heute aus betrachtet, war diese Zeit mit eine der aufregensten und kreativsten Perioden der Rockmusik.

Steve Marriott Humble Pie wurde Anfang 1969 gegründet und war eine der ersten "Supergroups", die aus den späten 60ger Jahren hervorgegangen sind. Der Sänger und Gitarrist Steve Marriott war von den Small Faces gekommen; Peter Frampton war Lead-Sänger und -gitarrist bei den Herd gewesen; Bassist Greg Ridley war ein Mitglied von Spooky Tooth; und der Schlagzeuger Jerry Shirley war in einer beliebten Lokalband namens Wages Of Sin gewesen. Sie hatten sich alle einen unterschiedlichen Grad an Erfolg in verschiedenen Pop Gruppen erworben, aber sie hatten sich zusammengefunden mit dem gemeinsamen Wunsch, bedeutungsvolle Songs auf der Grundlage von Rock'n'Roll zu schreiben und zu spielen, nur viel härter und mit mehr Blues.

Peter Frampton

Obwohl Ridley und Shirley allmählich für ihre profunden musikalischen Fähigkeiten Anerkennung fanden, fühlten sich Marriott und Frampton gefangen von dem Stigma, Teenage-Pop-Stars zu sein. Unter den wachsamen Augen des Stones Managers Andrew Oldham, hatten sich die Small Faces in England von 1965 bis 1968 an zwanzig Top 10 Hits erfreuen können, inklusive "Itchycoo Park", "Tin Soldier", und "Afterglow". Den Herd waren nur drei oder vier britische Hits gelungen, sie erhielten aber eine größere Aufmerksamkeit von den Medien, weil Frampton so gut aussah.

Tatsächlich kam die Band erstmals an Silvester 1968/69 zusammen. Marriott hatte gerade ein katastrophales Konzert mit den Small Faces gespielt, wobei als Vorgruppe kurioserweise Ridleys Spooky Tooth aufgetreten waren. Frampton hatte The Herd schon verlassen und war dabei, mit Shirley (einem jugendlichen Wunderkind am Schlagzeug, er war damals erst 16) eine neue Band aufzubauen. Marriott rief Shirley nach dem Konzert an und fragte, ob er und Ridley sich der neuen Band anschließen könnten, die Shirley und Frampton gerade zusammenstellten. Nach den Aussagen von Shirley konnte er nicht glauben, daß ein umjubelter Sänger wie Steve Marriott daran interessiert sein könnte, und sogar von den Aussichten begeistert war, was die neue Band alles erreichen könnte.

"Mein Vertrauen in die Small Faces schwand, und vieles stimmte nicht," berichtete Marriott der britischen Rockpresse 1969, als sich Humble Pie formierte. Man konnte mich nicht mehr hören bei all dem Lärm und Geschrei, wenn ich spielen wollte, und jeder Song, den ich für die Band schrieb, war meiner Meinung nach erbärmlich. Ich hatte keine Zuversicht." "Peter Frampton und Jerry Shirley waren auf der Suche nach weiteren Musikern für die Band, und ich sagte ihnen, daß ich gerne bei der Gruppe dabei wäre. Ich sagte ihnen gleichzeitig, daß ich auch Greg Ridley mitbringen könnte."

Humble Pie

Die Band trat zum ersten Mal im April 1969 auf, aber sie brach schon fast zu Beginn wieder auseinander. Obwohl die Medien ihren Supergroup-Status und eine Menge schwärmerischer Kritiken fleißig verbreiteten, waren Humble Pie's frühe Alben (As Safe As Yesterday Is und Town & Country - beide auf Oldham's Immediate Label) keine kommerziellen Erfolge. Frampton und Marriott konnten sich nicht entscheiden, ob sich die Band in eine akkustische oder elektrische Richtung bewegen sollte, was sich erschwerend für die Vermarktung der anfänglichen Platten auswirkte.

Außerdem musste die Band auf Tour gehen, bevor sie überhaupt Zeit gehabt hatte, eine Live-Show auszuarbeiten, und folglicherweise waren die frühen Tourneen meistens glanzlos. Dann, 1970, begann sich das Blatt zu wenden.

Humble Pie

Die Band unterschrieb einen Produktionsvertrag mit dem Manager Dee Anthony, der wiederum einen Vertrag mit A&M Records aushandelte. Die Band nahm 1970 beziehungsweise 1971 "Humble Pie" und "Rock On" auf. Beide Alben führten die Band in eine sehr solide  Bluesrock-Richtung. Die Kritiker stellten sich in breitem Maße hinter die Band, und ihre Platten begannen, sich in großen Mengen zu verkaufen. Zu der Zeit, als die Band 1971 "Rockin' The Fillmore" aufgenommen und herausgebracht hatte, verbreite sich die Nachricht, daß Humble Pie die heißeste Live-Band seit der Jimi Hendrix Experience sei. Es war offensichtlich, daß Humble Pie innerhalb von ein paar Monaten soweit sein würde, daß sich Superstars wie Led Zeppelin gehörig zusammen nehmen mussten, um mithalten zu können. Genau zu dem Zeitpunkt kam Frampton zu der Meinung, daß er sich in der von der Band eingeschlagenen Hardrock- und Bluesrichtung nicht mehr zu Hause fühle, und stieg aus, um eine Solokarriere anzustreben.

Dave Clempson

Zwar taucht das wichtigste Material aus Rockin' The Fillmore auch auf der King Biscuit LP auf, aber die Versionen unterscheiden sich dramatisch, weil Frampton durch Dave "Clem" Clempson ersetzt worden war. Obwohl einige Leute von der Rock-Presse als Folge von Framptons Abgang die Auflösung der Band vorausgesagten, geschah genau das Gegenteil.

Clempton belebte die Band und half dabei, sie in eine noch härtere Richtung zu führen. Jetzt, da Frampton als Co-Sänger von der Bildfläche verschwunden war, war der Weg für Marriott frei, die zentrale Stimme von Humble Pie zu werden. Gleichzeitig wurde er einer der besten Rocksänger aller Zeiten.

Coverrückseite Smokin'Als die Band 1972 mit Smokin' wieder auftauchten, waren sie zu einem gut geölten Rock'n'Roll Dynamo geworden. Fünf Songs aus dem Album, "Hot 'N Nasty", "30 Days In The Hole", "Road Runner", "You're So Good For Me", und Eddie Cochran's Klassiker "C'mon Everybody" wurden bald zu Dauerbrennern im Radio. Humble Pie waren jetzt die unbestrittenen "Götter des Boogie". Smokin' wurde ein mehrfach Platin Top-10 Seller und bleibt bis heute das meistverkaufte Album in der Karriere der Band. (Obwohl es jetzt als als das beste Studioalbum der Band angesehen wird, erhielt es ironischerweise zur Zeit seiner Veröffentlichung nur mittelmäßige Kritiken.) Aber abgesehen davon, daß es Humble Pie den größten Charterfolg bescherte, lieferte Smokin' der Band das Material, um ihre Live-Show neu zu arrangieren, und es erlaubte Marriott, sich näher an die Gospelmusik der amerikanischen Südstaaten heranzuwagen. Zu den ursprünglichen vier Musikern kamen bald die Blackberries hinzu, ein heißblütiges Trio von schwarzen amerikanischen Hintergrundsängerinnen, nämlich Venetta Fields, Clydie King und Billie Barnum. Mit Unterstützung dieser kraftvollen Mischung an Frauenstimmen konnte Marriott jetzt losheulen. Und das tat er.

Zu dieser Zeit perfektionierte er seinen souligen Sprechgesang zwischen den Songs. In der Tat machen seine vom Gospel beeinflussten Ansagen zu den bevorstehenden Liedern die Theorie glaubwürdig, daß Marriott ein großartiger Fernsehprediger geworden wäre.

Es war dies die Zeit, als die Band Eat It! unter die Leute brachte, eine Doppel-LP, die drei Seiten mit Studio-Songs enthielt und eine Seite mit Live-Material. Obwohl Eat It! unter die Top 15 kam und Humble Pie als fest etablierter Live-Act galt, begannen die Band und ihre Popularität langsam zu verfallen, nachdem diese Tournee beendet war.

Die Band meldete sich 1974 mit Thunderbox zurück, aber die ständige Fokussierung der Medien und Fans auf Steve Marriott forderte ihren Tribut innerhalb der Gruppe. 1975 taten sich Humble Pie im Studio wieder mit ihrem Ex-Manager Andrew Oldham zusammen. Sie nahmen Street Rats auf (eine kuriose Ansammlung von Songs, mit dabei drei Coverversionen von den Beatles). Die Band begab sich auf eine "Farewell" Tournee und machte fürs erste Schluß.

Street Rats

Zur Zeit der Trennung behauptete Shirley die Auflösung sei passiert, "weil wir alle verschiedene Sachen zu verschiedenen Zeiten erledigen müssen. Einige von uns wollen in England arbeiten, und einige von uns wollen in Amerika arbeiten. Nach einem Treffen der Band haben wir uns auf die Trennung geeinigt. Es geschah einvernehmlich." Auf der anderen Seite schien Marriott den Zusammenbruch der Band übel zu nehmen: "Ich habe keine Ahnung (warum wir uns trennen)," sagte er den Journalisten 1975. Fragen Sie unseren Manager. Ich weiß es wirklich nicht."

Bald nach der Auflösung von Humble Pie, gewann Marriott Ridley für ein Soloalbum und eine Tournee, und nahm 1977 und 78 an einer erfolglosen Wiedervereinigung der Small Faces teil. Clempson schloss sich der Jack Bruce Band an, und Shirley spielte mit Natural Gas und Magnet, die alle keinen echten kommerziellen Erfolg erlangten.

Humble Pie Mk II

Er und Marriott ließen 1980 Humble Pie wieder auferstehen zusammen mit dem ehemaligen Jeff Beck Sänger Bob Tench und dem New Yorker Bassisten Anthony Jones. Sie nahmen zwei Alben für Atlantic Records auf und gingen, um den Absatz anzukurbeln, auf Tournee, lösten sich aber 1982 wieder auf, als sie es nicht schafften, den ehemaligen kommerziellen Status wiederzugewinnen.Steve Marriott und Peter Framption

 

Clempson spielt heute immer noch mit einer Unzahl von Musikern (einschließlich Jack Bruce), Ridley hat sich aus dem Musikgeschäft zurückgezogen, und Jerry Shirley ist ein bekannter Classic-Rock DiskJockey bei einem Radiosender in Cleveland. Er tritt immer noch gelegentlich mit einer Band auf, die er Humble Pie nennt. Peter Frampton wurde einer der größten Rock Acts aller Zeiten, und versucht seither den Ruhm (und den Umsatz) von Frampton Comes Alive aus 1976 zurück zu gewinnen.

Während der 80ger verfiel Steve Marriott dem exzessiven Drogen- und Alkoholmißbrauch. Er tourte durch kleine Clubs mit einem Bluesrock-Trio, das sich Packet Of Three nannte (ein Hinweis auf Kondomschachteln). 1991 schlief er ein, als er im Bett rauchte und starb tragischerweise bei dem Brand in seinem Haus.

Steve Marriott in München 1985  

Steve Marriott in München 1985 (Privatfoto)

Übersetzung aus dem Inlay von "Live On The King Biscuit Flower",  Stand 1998

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